Der Flusskreuzfahrtmarkt


Der nachfolgende Text ist der Abdruck einer von der PCE in Auftrag gegebenen Darstellung über die Kreuzfahrt auf europäischen Flüssen, erstellt im März 2021 von Gerd Achilles, Herausgeber des Branchendienstes »Schiffsreisen-intern«, Hamburg.

 

Der Markt der Flusskreuzfahrt

"Nach einem herausfordernden  Jahr 2020, das die Unternehmen der Flusskreuzfahrtenbranche nur mit Hilfe des Einsatzes ihrer Reserven und Fremdmittel überstanden haben, erfolgte zum Jahresende eine bittere Bilanz. Es wurde 2020 viel investiert, um vor allem Hygienevorschriften einzuhalten. Aber anwenden konnten es nur einige Reedereien und das nur selten. Immer wieder änderten sich die staatlichen Vorgaben, die außerdem von Land zu Land in Europa sehr unterschiedlich ausfielen. Es erfolgte kurz nach dem Ausbruch der Pandemie zunächst eine gründliche Vorbereitung, um alle notwendigen Hygienemaßnahmen in einem abgestimmten Paket zusammenzufassen und dafür an Bord auch die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Außerdem musste vor allem bei den Leistungsträgern ein wesentlich engerer Kontakt zu den einzelnen Ländern, Häfen und Verwaltungen hergestellt werden, um überhaupt in der Lage zu sein, den Kunden einigermaßen verlässliche Fahrpläne vorlegen zu können. Die dabei gesammelten Erfahrungen führten schon früh dazu, nur Reisen vor allem in einem Land anzubieten, um Enttäuschungen bei den Passagieren oder sogar Reiseabsagen weitgehend zu vermeiden. Es waren nur wenige Veranstalter, die ihre Reisen einigermaßen störungsfrei, aber immer sicher, auch durchführen konnten. Dabei entstanden recht einfallsreiche Konzepte. Da viele Städte nicht angelaufen werden durften, fuhr man nur langsam an ihnen vorbei, wie beispielsweise Budapest, oder bot Busrundfahrten an, ohne die Möglichkeit auszusteigen, wie in Wien. Doch am häufigsten wählten die Veranstalter Reisen auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen, da diese Fahrten nur auf Deutschland konzentriert werden konnten. Wichtige Themenreisen konnten allerdings kaum umgesetzt werden.

Nun richtet sich die Aufmerksamkeit zunächst hoffnungsvoll auf 2021. Die Mehrzahl der Unternehmen hatte bei ihrer Planung zunächst den Saisonbeginn im März im Auge. Sie wurden enttäuscht, denn die Coronaerkrankungen stiegen fast überall überproportional wieder an, und so gingen in den noch als Vorsaison geltenden Wochen März und April kaum Schiffe an den Start. Mehrere europäische Regierungen kündigten inzwischen sogar an, dass sie Auslandsreisen für einige Zeit verbieten wollen, was den Start der Flusskreuzfahrtflotte nun sogar bis Mitte Mai verschieben könnte. Beschlossen ist das zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht. Da mangels verfügbarer Impfstoffe vermutlich erst in den Sommermonaten mit einer größeren Zahl an immunisierten Menschen zu rechnen ist, kann sich die Flusskreuzfahrt zumindest über einen Lichtblick freuen. Die Impffolge bevorzugt zunächst die ältere Generation, und das sind hauptsächlich auch die Kunden der Branche. Das Geschäft mit Familien und Kunden unter 50 Jahren wird daher noch bis in den Herbst warten müssen.
Mit der holprigen Bekämpfung der Pandemie schwinden auch die Hoffnungen auf eine Belebung der ausländischen Nachfrage. Immerhin nutzten bis 2019 jährlich mehr als 200.000 Passagiere Flussschiffe auf europäischen Flüssen. Die meisten der für amerikanische, australische oder asiatische Gäste vorgesehenen Schiffe liegen seit mehr als einem Jahr still. Einige US-Veranstalter oder deren europäische Partner versuchen inzwischen, zumindest einige Einheiten an europäische Veranstalter zu verchartern. Nicht alle Marktteilnehmer sehen diese Entwicklung gelassen. Ihre Befürchtung: Die Kunden lernen Schiffstypen kennen, die in der Qualität und im Design den in Europa angebotenen Einheiten deutlich überlegen sind. Da diese Charterschiffe zu europäischen Preisen angeboten werden, die deutlich unter denen in den USA oder Australien liegen, könnte das, wenn die Schiffe wieder für ausländische Gäste benötigt werden, zu unerwünschten Vergleichen führen. Die Motivation der US-Veranstalter, die Schiffe kurzfristig in Subcharter in  Fahrt zu setzen, entspringt einer einfachen Überlegung. Es sei sehr wichtig, den amerikanischen Kunden sagen zu können: „Wir sind in Europa unterwegs und kennen dort alle Bedingungen, Mit uns könnt ihr euch auf unsere Erfahrungen verlassen. “Da die Unsicherheit über den Einsatz der Flusskreuzfahrtschiffe auf europäischen Flüssen sich vermutlich bis zum Sommeranfang hinziehen wird und der Erfolg auch durch eine zunächst sehr zurückhaltende Nachfrage bis zum Jahresende schwer einzuschätzen ist, konzentrieren sich schon jetzt alle Vorbereitungen auf 2022. Die Veranstalter gehen davon aus, dass es dann zu einem Boom auch in der Flusskreuzfahrtnachfrage kommt. Wie in der Hochseefahrt, wo die Nachfrage vor allem nach längeren Reisen bereits deutlich anzieht, dürfte auch auf den Flüssen ein Stau abzubauen sein. Da die Werften zur Zeit kaum ausgelastet sind, bieten sich auch einer Reihe von Investoren angesichts der prognostizierten Entwicklung gute Chancen, mit Ablieferung Frühjahr 2022 Neubauten zu bestellen, die vermutlich gut vom Markt aufgenommen werden.

So dürfte es in den kommenden Wochen zu immer mehr Buchungsöffnungen für Reisen kommen, die erst 2022 stattfinden werden. Denn wer an dem Aufschwung teilnehmen möchte, der muss jetzt mit seinen Angeboten für Reisen auf den Markt kommen. Die momentan noch sehr preiswert für dieses Jahr angebotenen Fahrten, sind eher kurzfristig und immer mit der Unsicherheit behaftet, ob sie in vorgesehener Weise auch durchführbar sind. Das wird sich für 2022-Buchungen deutlich ändern und die Reisen werden deutlich länger werden, ein Trend, der sich auch in der Hochsee abzeichnet.. Dabei kommt den Kunden auch noch eine coronabedingte Neuerung im Vertrieb entgegen: Die Modalitäten bei der Höhe der Anzahlungen werden sich ändern, und auch die Stornoregeln dürften neu gefasst werden. Eine Analogie zur Hochseefahrt wird es aber kaum geben: Die Flusskreuzfahrtanbieter bleiben dem Reisebürovertrieb weitgehend treu und verlegen ihren Vertrieb nicht auf das Direktgeschäft. Auch der Außendienst bleibt erhalten, denn die Ausweitung der Themenreisen, die Rückgewinnung der Familien und Erläuterung der Landprogramme fordern Beratung und Betreuung durch die Veranstalter. Hinzu kommen neue Regelungen bei den Sicherungsscheinen, die den Agenturen erklärt werden müssen.
Die Pandemie hat auch im Ausland die Flusskreuzfahrt weitgehend lahm gelegt. In Myanmar kommen außerdem noch die Unruhen hinzu, so dass der Irrawaddy derzeit kein Ziel sein kann. Dagegen hofft Ägypten weiterhin auf eine Fortsetzung der in Ansätzen bereits vorhandenen Wiederbelebung auf dem Nil, verbunden in den neuesten Angeboten mit einem Strandurlaub. Hier spielt die Pandemie nur eine untergeordnete Rolle, da die Probleme in Ägypten bereits mit dem Beginn des arabischen Frühlings begannen. Dennoch haben jetzt zwei Reedereien wieder für den Nil Neubauten bestellt. Auf dem Mekong haben inzwischen auch wieder Reisen begonnen. Es fehlt allerdings die Nachfrage aus Europa und den USA Das gilt auch für den Yangtze, obwohl China behauptet, die Pandemie besiegt zu haben.


Fazit: Die Flusskreuzfahrt in Europa wird sich voraussichtlich erst ab Mai 2021 beleben. Da die für die Öffnung vieler Länder wichtige Impfquote erst im Herbst einen nachhaltigen Wirkungsgrat erreichen kann, dürfte es zu­nächst zu regional begrenzten Angeboten kommen, für die sich Kurzreisen besonders eignen. Wichtig für die Branche wird der Start in das Jahr 2022 sein. Wer schon heute seine Programme buchbar macht, dürfte deutlich im Vorteil sein. Mit einer nachhaltigen Belebung der Auslandsnachfrage ist ab 2022 zu rechnen."